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Spiegel-Yoga

Spiegel-Yoga | Yoga Guide

Nein, „Spiegel-Yoga“ ist kein neuer Yogastil. Vielmehr handelt es sich um die spezifische Einordnung des Yoga durch das bekannte deutsche Nachrichtenmagazin, das seinen Ruf vor allem seinen Enthüllungsgeschichten und seinem legendären Archiv verdankt.

Nein, „Spiegel-Yoga“ ist nicht der neueste der unzähligen Yogastile, die heute in den Yogastudios dieser Welt angeboten werden. Vielmehr handelt es sich um die ganz spezifische Einordnung des Yoga durch das bekannte deutsche Nachrichtenmagazin, das seinen Ruf vor allem seinen Enthüllungsgeschichten und seinem legendären Archiv verdankt.

Beides hat offenbar zu einem großen Artikel unter dem Titel „ Erlösung ohne Erlöser - Forscher enthüllen die wahre Herkunft der indischen Spiritualität: Die angeblich uralten Geisteslehren sind eine Erfindung der westlichen Moderne - und das gymnastische Yoga haben europäische Turner und Bodybuilder entwickelt“, in der Tiefe des Sommerlochs beigetragen, in dem der Spiegel seine Wahrheit über Yoga enthüllt. Und ganz so tief wie man annehmen möchte, musste Redakteur Manfred Dworschak auch nicht im Archiv wühlen, ist doch eine Kernaussage im Artikel, dass Yoga keineswegs Tausende Jahre alt sei, sondern im wesentlichen eine europäische Erfindung des ausklingenden 19. Jahrhunderts.

Häufig wird der Anthropologe Prof. Dr. Peter van der Veer vom Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, zitiert, der bereits 2012 dazu Spiritualität auf dem Weg zur Globalisierung veröffentlichte.

Wenig verwunderlich, dass dErlösung ohne Erlöser | Spiegel Bericht zu Yoga | Yoga Guide Kommentarer Spiegelbeitrag unter Yogis nur mäßige Begeisterung hervorgerufen hat, zählt die Berufung auf jahrtausendealte Traditionen doch zum Kern des Selbstverständnisses des Yoga und überzeugte Yoga-JüngerInnen kennen die Yogasutren und wissen, dass Patanjali auch schon die Asanas erwähnte, die der Spiegel als Nebenprodukt der deutschen und schwedischen Turnbewegung identifizierte.

Alles Lug und Trug also, anti-indische Propaganda gar, die jahrtausendealte Traditionen auf einen Exotismus des Kolonialzeitalters reduzieren will? Oder ist vielleicht doch etwas dran  an der provokanten Spiegel-Geschichte? Immerhin ist diese detailliert recherchiert, die meisten wesentlichen Behauptungen sind gut belegt und der Beitrag erscheint weitgehend faktentreu.

Zweifellos sind weder der Begriff „Yoga“ noch die Wesenselemente der geistigen und körperlichen Übungen sowie der Atemlehre, erst ein bisserl mehr als Hundert Jahre alt, all das findet sich tatsächlich in alten Schriften. Aber ebenso wenig lässt es sich wohl bestreiten, dass unser Verständnis des Yoga, die Aspekte, die wir heute besonders betonen, die Hilfe, die uns Yoga in unserem modernen Leben bieten soll, weniger von der jahrtausendealten Schrift und vielmehr von der westlichen (europäischen und amerikanischen) Yogarezeption geprägt sind. Und die begann nun einmal Ende des 19. Jahrhunderts und in sie sind westliche Vorstellungen und sicher auch Turnelemente eingeflossen.

Aber als Yogis sollte es uns ja auch nicht allzu schwer fallen, das alles entspannt zu betrachten. So wie unsere Vorstellung von nordamerikanischen Indianern irgendwo zwischen edlen Wilden à la Winnetou und ökoweisen Hopis schwankt – und beides im wesentlichen unsere eigenen Projektionen einer real wohl ganz anderen Welt sind, so mag es auch mit Yoga sein.

Aus den uralten Wurzeln ist ein prächtiger Baum gewachsen, dem verschiedene Früchte aufgepfropft wurden, der vor allem in den vergangenen Hundert Jahren von Tausenden Lehrern und Lehrerinnen und Hunderttausenden Ausübenden gehegt und gepflegt wurde und der so aussieht, wie wir ihn uns wünschen. Und es ist noch immer der selbe Baum, der vor Tausenden Jahren gepflanzt wurde, dass er damals anders ausgesehen hat und Patanjali und Co vielleicht sogar ganz andere Vorstellungen als unser heutiges Yoga hatten, ist möglich, ja sogar höchstwahrscheinlich. Und es ist eigentlich egal.... oder?
(tb)

Spiegel Nr. 31/29.7.13
„Die Erfindung der Spiritualität“ bzw. „Erlösung ohne Erlöser“ - Forscher enthüllen die wahre Herkunft der indischen Spiritualität: Die angeblich uralten Geisteslehren sind eine Erfindung der westlichen Moderne - und das gymnastische Yoga haben europäische Turner und Bodybuilder entwickelt.
Hinweis: Der Artikel kann im Spiegel online nur als e-paper oder in der Printausgabe nachgelesen werden www.derspiegel.de  

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Kommentar von Kristin Rübesamen in der Welt und in www.yogaeasy.de